Bei weitem nicht alle Gründer sind jung und ungebunden. Viele von ihnen haben Familie. Was das für die Existenzgründung und für den Businessplan bedeutet, erklären wir in diesem Beitrag.
Ganz klar: Wer nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Familie sorgen muss, sollte doppelt gut vorbereitet an seine Existenzgründung herangehen. Schließlich trägt die Familie das unternehmerische Risiko voll mit. Dafür bietet die Selbständigkeit aber auch neue Chancen für das Familienleben: Flexible Arbeitszeiten, einen hohes Maß an Selbstbestimmung und die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten, können für Väter und Mütter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Selbständigkeit sogar erleichtern.
Ein Spaziergang wird das allerdings nicht. Besonders in der Anfangszeit sollten Selbstständige sich darauf einstellen, dass sie vollen Einsatz leisten müssen. Zugleich bleiben die Einnahmen in dieser Zeit meist noch hinter den Erwartungen zurück. Es dauert eben, bis die Geschäfte angelaufen sind. Wer da nicht den hundertprozentigen Rückhalt seiner Familie hat, kämpft schnell auf verlorenem Posten.
Damit deine Familie, gerade auch in dieser schwierigen Anlaufphase, voll und ganz hinter dir steht, ist es wichtig, sie von Anfang an in deine Entscheidungen einzubeziehen. Vor allem mit deinem Partner oder deiner Partnerin solltest du schon sehr früh ein offenes Gespräch darüber führen, was der Schritt in die Selbstständigkeit für euch alle bedeutet.
Es kann durchaus sinnvoll sein, gemeinsam ein sogenanntes Worst-Case-Szenario durchzuspielen: Was würde im schlimmsten Fall passieren, wenn der Plan von der Selbstständigkeit scheitert? Welche Konsequenzen hätte das für unsere Familie? Und sind wir bereit, dieses Risiko auf uns zu nehmen?
Leider erleben wir bei vielen Gründern, besonders, wenn sie aus einem recht gut bezahlten Job in die Selbstständigkeit starten, dass sie sich selbst und ihren Familien gegenüber nicht ehrlich genug sind. Und zwar vor allem im Hinblick auf den einmal erreichten Lebensstandard.
Sie gehen viel zu oft davon aus, dass alles so bleiben könne, wie gehabt – als das Einkommen noch jeden Monat in gleichbleibender Höhe vom Arbeitgeber auf das eigene Konto überwiesen wurde. Aber das ist ein gefährlicher Trugschluss, wie ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis zeigt:
Ein erfolgreicher und auftrittsstarker Designer aus München hatte dank einer tollen Geschäftsidee und eines brillanten Businessplans von seiner Bank einen Kredit für seinen Start in die Selbstständigkeit in Höhe von mehreren hunderttausend Euro erhalten. Einen ersten guten Kunden (seinen früheren Arbeitgeber) brachte er auch schon mit. Was sollte jetzt noch schiefgehen? Für einen professionellen Außenauftritt leistete er sich ein schickes Büro in guter Lage mit mehreren Arbeitsplätzen samt Chefsekretärin. Das alles kostete Geld, klar.
Als wirklich problematisch aber erwiesen sich am Ende nicht seine Betriebsausgaben, sondern seine hohen monatlichen Privatentnahmen: Der Designer führte nämlich mit seiner Frau und seinen Kindern das Leben, das sie sich mit seinem früheren Einkommen als angestellter Abteilungsleiter leisten konnten, einfach weiter. Mehrere teure Urlaube im Jahr, eine riesige Altbauwohnung, aufwendige Hobbys… Die Folge: Der Kredit schmolz dahin – obwohl unser Unternehmer anfangs durchaus Geld mit seiner Geschäftsidee verdiente. Erst als fast kein Geld mehr übrig war, gleichzeitig der wichtigste Kunde in Schwierigkeiten geriet und neue Kunden auf sich warten ließen, blieb dem Unternehmer nichts anderes übrig, als schmerzhafte, aber unumgängliche Einsparungen im privaten Bereich vorzunehmen.
Doch da war es leider schon zu spät. Der Verkauf des teuren Zweitwagens brachte zwar eine geringfügige Entlastung, aber das reichte nicht aus. Weitere Kostensenkungen, etwa bei Leasingverträgen oder der Wohnungsmiete, waren so kurzfristig nicht mehr möglich.
Bis zum Schluss brachte der Gründer nicht den Mut auf, mit seiner Familie offen über seine Situation zu sprechen und klar zu machen, dass unangenehme Einschnitte bei Urlaub und Freizeitgestaltung unausweichlich seien. Stattdessen nahm er jeden Abend Beruhigungstabletten, um überhaupt noch schlafen zu können. Es kam, wie es kommen musste: Die Bank verweigerte ihm eine Nachfinanzierung. Der Designer musste die Insolvenz anmelden. Die Familie stand vor einem Scherbenhaufen.
Vor dem Schritt in die Selbständigkeit solltest du dir genau ausrechnen, was du und deine Familie wirklich zum Leben brauchen und worauf ihr verzichten könnt. Hilfreich, aber nicht immer möglich, ist es , wenn euch ein sicheres Einkommen bleibt, mit dem ihr die nötigsten Ausgaben (für Wohnung, Versicherungen, Lebensmittel, Kleidung etc.) bestreiten könnt, wenn also dein Partner die Existenz sichern kann, weil er weiter festangestellt arbeitet oder den Sprung in ein lukratives Unternehmerleben schon geschafft hat. Alternativ solltest du eine nebenberufliche Gründung in Erwägung ziehen und deinen alten Job zumindest solange in Teilzeit weiter ausüben, bis die Geschäfte angelaufen sind, um das Risiko für dich und deine Familie zu minimieren.
Damit alle an einem Strang ziehen, sollte sich die ganze Familie im Klaren sein, dass der Gürtel sehr wahrscheinlich enger geschnürt werden muss – zumindest für den Anfang (wobei dieser Anfang realistisch betrachtet deutlich mehr als ein Jahr umfassen kann: eine dreijährige Anlaufphase ist nicht unüblich).
Alle Einsparungen müssen unbedingt vor der Gründung besprochen – und auch schon praktisch umgesetzt werden. So kommst du auch in deinem Businessplan auf realistische Werte, die deinen Investoren und den Kundenberatern deiner Bank plausibel erscheinen. Das tut deinem Unternehmen gut – und belastet dein Familienleben nicht unnötig.
Vergiss nicht, dass den wirtschaftlichen Nachteilen deiner Existenzgründung ein erhebliches Plus an Lebensqualität für dich und deine Familie entgegenstehen kann: flexiblere Arbeitszeiten, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, kein Gejammer über nervige Vorgesetzte mehr und neue Lebensenergie!
Gründungsexperte Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft EVEREST in Hamburg. Für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer entwickelt die EVEREST GmbH seit über 15 Jahren Konzepte und Lösungen, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern.