In Wissenschaft und Ratgeber-Literatur wird sehr breit diskutiert, was einen Unternehmertyp bzw. eine Unternehmerpersönlichkeit ausmacht und ob man das lernen kann. Aus volkswirtschaftlicher Betrachtung sicher sehr wichtig – der einzelnen Person, die vor der Frage steht, sich selbstständig zu machen oder nicht, hilft das nur begrenzt. Genau dieser Person weiterzuhelfen, darum soll es hier gehen.
Sicher ist es für jeden ein Erkenntnisgewinn, einmal die wissenschaftlich recht abgesicherten Tests zu machen, wie sie auf Gründungswerkstatt Deutschland zu finden sind. Sich mit seinen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen, macht Sinn. Und das Tool ist hilfreich. (Ein Login ist nötig, aber der Test ist kostenlos und schnell gemacht.)
Aus meiner Beratungspraxis mit einigen hundert Gründern und Unternehmern würde ich im Folgenden das Thema einmal ganz eingedampft angehen.
Ja! Aber für die meisten ist es eine langjährige Entwicklungsaufgabe. Sie macht Spaß, wenn man Entwicklung als einen guten Prozess ansieht. Die Ratgeber, die die von mir beratenen Unternehmer und ich am effektivsten fanden, sind von Michael E. Gerber, Stefan Merath, Jens Corssen. Am meisten gelernt habe ich im konkreten Austausch mit echten Unternehmerpersonen.
Unternehmer sein bedeutet, die drei Kernaufgaben Fachmann, Manager und Visionär selbst zu verkörpern oder unter einen Hut zu bringen. Das heißt, die Kompetenz, die einem fehlt, gezielt bei sich selbst zu entwickeln, als Personal zu rekrutieren oder als Partner zu verpflichten.
Dass Unternehmen gegründet werden, um primär Geld zu verdienen – wie weitläufig angenommen wird – stellt meist aber nur eine zweitrangige Motivation dar. In der Praxis zeigt sich, dass die Mehrzahl der Gründer Personen mit einer sehr fachlichen Ambition sind. Sie wollen gute Arbeit machen und dafür honoriert werden.
Gute Arbeit machen und dann gute Laune haben - ein alter Unternehmertraum.
Am Beispiel eines Tischlers: Die fachlich getriebene Unternehmerperson möchte einfach bessere Tische machen, als es ihr in der bisherigen Anstellung möglich war. Sie hat den Vorteil, erkennen zu können, was gute Tische sind. Aber möglicherweise – und in der Praxis sehr häufig – den Nachteil, zu Produktverliebt zu sein. Der wunderbarste Tisch ist wenig wert, ohne Käufer oder wenn der erzielbare Preis nicht im Verhältnis zum Aufwand steht. Dafür ist üblicherweise der Manager da. Er sorgt dafür, dass die eingesetzten Ressourcen im Verhältnis zum Ergebnis stehen und Produktion und Verkauf zueinander passen. Am besten ist die Unternehmerperson beides, am zweitbesten sind es sich vertrauende Partner, die dieses Spannungsfeld positiv nutzen und sich gegenseitig für das Anderssein schätzen. Häufig ist es nicht so. Die Fähigkeit des Visionärs – also des eher unternehmerisch Getriebenen – sorgt jetzt dafür, dass ein neuartiger Tisch entwickelt wird, der sich von dem Wettbewerb abhebt. Die Fähigkeit des Fachmanns sorgt dafür, dass man diesen Tisch auch bauen kann. Und die Fähigkeit des Managers dafür, dass der Aufwand im Verhältnis zum erzielbaren Preis steht – und dieser wenn möglich maximiert wird. Das Ganze ist ein Spannungsfeld. Und entweder die Unternehmerperson integriert diese Spannungen in der eigenen Person ODER in mehreren Personen.
Auf der Basis des sehr lesenswerten Buches von Michael E. Gerber „The E-myth“ oder deutsch „Wie Sie ein erfolgreiches Kleinunternehmen aufbauen“ haben wir ein Dreieck für dieses Spannungsfeld entwickelt, in der man sich selbst in einem Test einschätzt und das Spannungsfeld so für sich produktiv erlebbar machen kann. (Für beides ist kein Login nötig.)
Neugierig, welche Unternehmerpersönlichkeit du bist?
Ja! Allerdings ist es gefährlich, die Augen zuzumachen und Aufgaben lediglich mit der Motivation „ich will mich nicht drum kümmern“ zu delegieren.
Beispiel: Viele Unternehmer drücken sich um das Thema Vertrieb. Sie stellen dann jemanden dafür ein. Da sie selbst keine Ahnung haben, wie Vertrieb funktioniert, stellen sie die falsche Person ein und schauen nicht genau hin. Sie erarbeiten keine gemeinsame Methodik, wie es gehen kann, sondern warten auf andere. Das funktioniert nicht. Wenn es schief geht, beschweren sie sich über die Arbeitsmoral des Angestellten und alle sind frustriert. Besser ist es, eine Weile selbst Vertrieb zu machen, sich schulen zu lassen und die alten Kamellen von Vertrieb als unappetitliche Aufgabe über Bord zu werfen. Und dann den eigenen, authentischen Weg finden – passend zur Geschäftsidee. Und wenn es dann läuft und man weiß, wie es geht – dann jemanden zur Unterstützung einstellen.
Das gilt auch in Geschäftspartnerschaften: Unterschiedliche Schwerpunkte ja, aber ein Grundverständnis für den Job des anderen sollte jeder haben. Und auch die Offenheit, Fragen zu stellen und gestellt zu bekommen. Langfristig die Augen zuzumachen vor den Kernthemen des Unternehmerdaseins – nämlich Personalführung, Vertrieb und gesunde Finanzen – das rächt sich meistens auch dann, wenn der Geschäftspartner die Verantwortung dafür übernimmt.
Das war‘s schon.
Was sind deine Erfahrungen – wie kann man Unternehmertum lernen?
Leseempfehlung
Gründungsexperte Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft EVEREST in Hamburg. Für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer entwickelt die EVEREST GmbH seit über 15 Jahren Konzepte und Lösungen, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern.