Das Dogma der Förderinstitutionen, nur hauptberufliche Gründungen seien gute Gründungen, bröckelt. Nachdem sich in Deutschland in manchen Jahren sogar mehr Gründer nebenberuflich selbstständig machen als hauptberuflich, sind die Leitbilder und – noch wichtiger – auch die Bedingungen für viele Förderprogramme angepasst worden. Zumindest schließt jedes zweite Förderprogramm nebenberufliche Gründungen nicht mehr aus.
Unserer Ansicht nach wird diese positive Entwicklung auch so weiter gehen. Denn eine nebenberufliche Gründung ist nicht nur gut für Innovationskraft und Entrepreneurship von Wirtschaft und Gesellschaft. Für den einzelnen Gründer bedeutet sie außerdem weniger Risiko und höhere Flexibilität – Patchworking im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir haben mit einer nebenberuflichen Gründerin gesprochen. Über ihre Beweggründe und über ihre ersten persönlichen Erfahrungen: Susanne Schreck, Soziologin und Mutter von zwei Kindern, hat sich 2014 als freiberufliche Lektorin nebenberuflich selbstständig gemacht.
SmartBusinessPlan: Warum hast du dich für eine Nebenerwerbsgründung entschieden?
Susanne: Ich habe seit meinem Studium immer als Angestellte gearbeitet, seit der Geburt meines ersten Kindes nur noch in Teilzeit. Nach zehn Jahren füllte mich meine Arbeit nicht mehr richtig aus. Ich wollte unbedingt etwas machen, was mir wirklich Spaß macht: Mit Sprache arbeiten, Texte erstellen und zur Perfektion bringen – das könnte ich den ganzen Tag machen, ehrlich! Und da es als Quereinsteigerin fast unmöglich ist, eine feste Stelle als Texterin oder Lektorin zu bekommen, lag der Schritt, mich nebenberuflich selbstständig zu machen, schon fast auf der Hand.
SmartBusinessPlan: Wie sind deine Erfahrungen nach fast einem Jahr nebenberuflicher Selbstständigkeit?
Susanne: Ich hätte nie gedacht, wie gut diese Form der Erwerbstätigkeit zu meinem Leben passt! Eigentlich fand ich es nie erstrebenswert, mich nebenberuflich selbständig zu machen, es war eher eine Notlösung. Die große Unsicherheit, die Verantwortung – viel zu riskant, vor allem wenn man Kinder hat. Aber die Erfahrung zeigt: Das Gegenteil ist der Fall! Früher musste ich immer sehr flexibel sein. Einerseits waren feste Bürozeiten abzudecken, andererseits standen aber auch viele Abend- und Wochenendtermine an. Was habe ich für Zeit damit verbracht, die Betreuung der Kinder zu organisieren – vor allem, wenn diese mal krank waren. Ohne die Hilfe von Großeltern und Freunden wäre das gar nicht gegangen.
SmartBusinessPlan: Und heute?
Susanne: Heute passe ich die Arbeitszeiten an mein Leben an. Ich kann mich jederzeit an den Schreibtisch setzen und loslegen. Ich kann abends oder frühmorgens arbeiten, am Wochenende und natürlich wenn die Kinder in Kita und Schule sind. In manchen Wochen arbeite ich heute viel mehr als früher – und bin trotzdem viel weniger gestresst! Mal ganz abgesehen davon, dass ich endlich das mache, was mir Spaß macht – auch die selbstständige Organisation der Arbeit entlastet mich!
Website Lektorat Schreck hier.
SmartBusinessPlan: Was rätst du anderen Gründerinnen und Gründern, die sich nebenberuflich selbstständig machen wollen?
Susanne: Mehr Mut! Viele zögern zu lange, ihren Lebenstraum umzusetzen. Aus Angst vor der Veränderung und vor dem Scheitern. Mir ging es ja lange genauso. Aber wenn ihr euer Vorhaben realistisch plant und gut vorbereitet, ist das Risiko gar nicht mehr so hoch. Und lasst Euch bloß nicht abschrecken von dem überlieferten Bild des Unternehmers, das euch in vielen Broschüren und Ratgebern begegnet! 60-Stunden-Woche, kein Urlaub, kein Privatleben – das muss überhaupt nicht sein. Schaut Euch lieber in der realen Welt um: Da gibt es viele erfolgreiche Selbstständige, die diesem Bild überhaupt nicht entsprechen. Natürlich gilt dann unter Umständen auch, dass der dicke Schlitten, die große Villa und das Eliteinternat für den Nachwuchs nicht drin sind – aber wer will das schon? Was ihr bekommt, ist viel mehr wert: Die Chance auf Selbstbestimmung, auf eine existenzsichernde Beschäftigung und auf einen Beruf, der Euch auch noch Zeit für Anderes lässt! Ich würde mich immer wieder nebenberuflich selbstständig machen.
Gründungsexperte Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft EVEREST in Hamburg. Für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer entwickelt die EVEREST GmbH seit über 15 Jahren Konzepte und Lösungen, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern.