Gibt es den perfekten Businessplan?

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Ein Banker im Ruhestand plaudert aus dem Nähkästchen

25 Jahre lang prüft Elmer Staudt Businesspläne. Viele Jahre als Leiter der Fördermittelabteilung in Berlin, und zuletzt als Leiter des Gründungszentrums Brandenburg. Viele Unternehmensgründungen hat er finanziert und natürlich auch beobachtet, was aus ihnen geworden ist. Ganz frisch im Vorruhestand sprechen wir mit ihm über die Knackpunkte im Businessplan, die allgemeine Kritik am Thema Businessplan, über beeindruckende Gründerstorys und vor allem darüber, wie ein Businessplan bei der Bank abgeklopft wird.

SmartBusinessPlan: Herr Staudt, was war Ihr erstes Mal, Ihr erster Businessplan?

Elmer Staudt: Das war bei der Berliner Industriebank nach der Wende, das muss so 1992 gewesen sein. Da haben wir eine Eisdiele in Brandenburg finanziert. Das ging damals auch durch die Presse, weil es der erste Gründungskredit war, der im Osten finanziert wurde. Das war eine sehr euphorische Phase damals. Man hat leicht mal betriebswirtschaftliche Kriterien hinten angestellt, wenn es darum ging, Marktanteile zu sichern. Beispiel Hotel und Gastronomie: Da hatte jemand mal im Ausschank ausgeholfen und schon wurde er mit seiner eigenen Bar finanziert. Die Fälle sind uns Ende der Neunziger um die Ohren gepflogen, weil die Konkurrenz zu stark wurde.

SBP: Was ist aus der Eisdiele geworden?

Staudt: Die Eisdiele hat lange durchgehalten. Aber als ich neulich vorbei fuhr, war dort etwas anderes drin.

SBP: Erläutern Sie uns doch mal, was in einem Banker vorgeht, wenn er einen Businessplan liest? Die Suche nach dem perfekten Plan?

Staudt: Eher nicht. Ich denke, ich kann die Businesspläne an einer Hand abzählen, die so überzeugend waren, dass sie direkt als Finanzierungsgrundlage passten. Meist dient der Businessplan als Einstieg in die Diskussion, um Nachfragen zu stellen und dem Gründer und seiner Idee näher zu kommen.

SBP: Und dann?

Staudt: Schwerpunkt bei der Diskussion ist eigentlich immer der Marktcheck: Konkurrenz, Marketing, Preisgestaltung. Das sind die zentralen Punkte, um die sich aus Sicht der Bank alles dreht. Jedes andere Thema lässt sich darauf zurückführen: Ohne Marktfähigkeit keine Kreditchance! Der häufigste Fehler ist hier, zu theoretisch heran zu gehen. Man sollte es lieber so machen wie eine meiner Gründerinnen, die einen Kindermodeladen im Prenzlauer Berg eröffnen wollte: Sie hat sich eine Woche lang auf den Kinderspielplatz gesetzt und beobachtet, welche Klamotten die Kinder dort anhatten. Entsprechend hochpreisig fiel dann die Erstausstattung ihres Ladens aus. Und es hat funktioniert. Da wäre sie ohne die Beobachtung nicht drauf gekommen.

Leider geht das Gros der Gründer ganz anders heran. Sie recherchieren eine Sache in der Theorie und setzen all ihre Hoffnungen darauf. Meist kommt es dann anders als geplant und darauf ist man nicht vorbereitet.

SBP: Gibt es weitere positive Ausnahmen?

Staudt: Ja klar. Viele! Da fällt mir noch ein schöner Fall ein, als ich als Juror beim Businessplan-Wettbewerb Berlin Brandenburg saß: Eine junge Dame wollte einen Kaffee-Shop aufmachen. Wir waren schon recht negativ eingestellt – Cafés hatten wir ja eigentlich genug. Aber diese Gründerin war so tough, reagierte klug auf alle Fragen und hatte für all unsere Einwände, warum es nicht funktionieren könnte, eine Lösung parat – beispielsweise eine neue Zielgruppe oder den Umbau des Ladens. Daran haben wir gemerkt: Das ist eine echte Unternehmerin. Egal, was sie macht, sie wird Lösungen finden. Da finanzieren wir auch einen Kaffee-Shop.

SBP: Auf was achten Sie sonst noch?

Staudt: Eigentlich ist es immer wieder der Marktcheck. Der Markt ist sehr häufig abhängig vom Standort, und das muss im Businessplan deutlich werden. Was zeichnet den Standort aus, welche Menschen sind dort und wie wird das im Konzept aufgegriffen? Oft steht der Standort noch nicht fest oder er wird in einer späteren Phase der Gründung noch gewechselt. Ein leider weitverbreiteter Fehler ist es, dann das Konzept nicht anzupassen. Das unterschätzen viele. Selbst wenn es dem Banker nicht auffällt, in der Praxis rächt es sich.

SBP: Wie ist es mit dem Thema Marketing?

Staudt: Genauso. Viele gehen viel zu blauäugig damit um und glauben an Flyer in Briefkästen. Wenn man das mit den Flyern nicht professionell macht, verbrennt man eine Menge Geld. Bei diesem Thema achten wir ganz genau drauf, wie sich das Marketingkonzept zusammensetzt. Ist es gut durchdacht oder hat der Gründer einfach irgendwo abgeschrieben? Wenn ich im Businessplan lese: „1 TEUR für Anzeigen in Tageszeitungen“, frage ich, woher dieser Preis kommt und ob eine Anzeige überhaupt sinnvoll ist. Wenn der Gründer das nicht beantworten kann, gibt es Hausaufgaben: Preise recherchieren, unterschiedliche Werbemaßnahmen vergleichen und das alles in eine individuelle Strategie überführen.

SBP: Haben Sie einen Expertentipp?

Staudt: Sich sehr viel Zeit für dieses Thema nehmen, genau recherchieren und das Ergebnis dann in der Praxis validieren! Das ist verdammt schwierig, ich weiß. Trotzdem bitte nicht nur im Freundeskreis herumfragen. Freunde sind immer viel zu positiv. Je profunder und realistischer man validiert, umso mehr Respekt hat der Banker beim Lesen. Kleines Negativbeispiel: Ich habe eine Wurstbude vor Saturn finanziert. Denn: Nach dem Shoppen haben die Leute Hunger. Klingt plausibel – ist es aber nicht. Die Zahlen waren schlecht. In der Praxis erwies sich nämlich: Die Leute kamen mit großen Paketen und riesigen Tüten vom Shoppen und hatten keinen Nerv zum Wurstessen – auch weil sie nicht wussten, wohin mit ihren Paketen. Das hätte man in ein paar Stunden Befragung vor Ort herausbekommen. Und wir hätten alle viel Geld gespart.

SBP: Das versuchen wir, unseren Gründern auch auf den Weg zu geben. Aber viele tun sich schwer mit dem Praxistest.

Staudt: Ein Berater in Berlin, den ich sehr schätze, geht sogar noch einen Schritt weiter. Er sagt zu den Gründern: „Wir machen erst weiter, wenn du zehn Kunden gefunden hast.“ Er behauptet, dass die meisten nie wieder kommen. Aber die, die wieder kommen – mit denen kann man wirklich arbeiten. Das kann ich nur unterschreiben.

SBP: Was sagen Sie zur jüngst stärker werdenden Kritik am Businessplan?

Staudt: Vieles davon ist ja schon alt: Faltin sagt schon seit Ewigkeiten, dass man keinen Businessplan braucht. Aber er geht auch davon aus, dass man fast kein Geld braucht. Wer Geld braucht, braucht einen Businessplan. Für Dritte muss nachvollziehbar sein, was er vorhat. Aber auch für ihn selbst!

SBP: Im letzten Jahr sprachen alle von der Canvas. Wie sehen Sie diesen Trend?

Staudt: Ja, das wurde von der Startup-Szene in Berlin ausgerollt. Für die ist das eine tolle Sache. Ich halte die Canvas für einen guten Startpunkt, um zu prüfen, ob etwas klappen kann. Das ist auch der Charme der Canvas-Seminare: In kurzer Zeit herausfinden, ob die Idee aufgeht. Die Stärke ist das Verdichten, das Diskutieren. Ich habe da selbst mitgemacht und es hat was gebracht.

SBP: Wir arbeiten ja auch an einer Art Canvas, aber merken, dass sie neben all den Chancen auch mit ihrer eigenen Terminologie überfordert. Begriffe von Osterwalder wie „Kanäle“ oder „Schlüsselressourcen“ liegen quer zu den Begriffen im Businessplan.

Staudt: Es wäre gut, wenn alle wichtigen Elemente des Businessplans auch in dem Canvas-Tool vorkämen und so diskutierbar würden. Ob das dann Canvas heißt oder nicht, ist für mich nicht entscheidend. Ich sehe die Canvas als Vorbereitung auf den Businessplan. Und das ist sinnvoll. Die Diskussion ist besonders geeignete für Teamgründungen. Oder wenn es um mehrere Produkte geht. Mithilfe der Canvas kann jedes einzelne Produkt vorgestellt und geprüft werden.

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SBP: Wie prüft man denn als Banker eine Canvas?

Staudt: Ich glaube, das Trendthema Canvas ebbt schon wieder ab. In der Realität in der Bank haben wir nicht eine einzige Canvas erhalten.

SBP: Würden sie in der Bank denn eine Canvas statt eines Businessplans diskutieren?

Staudt: Ich war immer dafür. Ein Gründerzentrum ist doch eigentlich genau dafür da. Aber die Banken versuchen gerade alle, Aufwand zu minimieren. Bei uns wurde klipp und klar gesagt: „zu aufwändig“. Aber natürlich haben wir die Canvas-Methode, d.h. Gespräche vor der Erstellung eines Businessplanes, hin und wieder angewandt – vor allem bei Summen über 100 TEUR und bei besonders spannenden Projekten. Bei risikoreichen Projekten ist es sehr sinnvoll, so früh wie möglich ins Gespräch zu gehen. Da stehe ich zu – selbst wenn die meisten Banken das nicht so gerne sehen.

SBP: Werden wir noch mal historisch: Was passierte in 25 Jahren Businesspläne prüfen? Änderten sich die Kriterien?

Staudt: Vor der Wende wurden Businesspläne recht betriebswirtschaftlich geprüft. Anfang der Neunziger wurde es lockerer – in der Euphorie nach dem Mauerfall, um Marktanteile zu gewinnen. Die Quittung kam Ende der Neunziger. Danach konzentrierte man sich wieder sehr auf die Rentabilität der Geschäftsideen. Mitte der 2000er Jahre ging es stark um Eigenkapital – um Risiken abzufedern.

SBP: Und was ist das große Thema aktuell?

Staudt: Die KfW-Studie hat es ja Anfang des Jahres gehighlightet: Das Thema Liquidität steht im Mittelpunkt. Das ist ja häufig ein kritischer Punkt.

Das Thema Internationalisierung wird auch heiß diskutiert. Da geht es um neue Perspektiven, andere Kostenstrukturen. Das Thema ist sehr Cashflow-getrieben: Sobald man sich mit seinem Unternehmen in einem Markt etabliert hat, will man in den nächsten Markt, und dafür braucht man einen Finanzierungspartner. In den Businessplan müssen Punkte einfließen wie: Wie soll das Unternehmen in solch einem heftigen Wachstumsprozess organisiert werden?

SBP: Das gilt aber nicht nur für Businesspläne mit Internationalisierungs-Konzepten, oder?

Staudt: Ganz und gar nicht. Da steckt ein wichtiger Punkt für alle Businesspläne drin: Eigentlich wünschen wir uns von allen im Ausblick die Perspektive, wie das eigene Unternehmen in 3-4 Jahre aussehen soll. Wer das in seinem Businessplan berücksichtigt, zeigt unternehmerisches Denken und Perspektive.

SBP: Die unternehmerische Denke scheint Ihnen sehr wichtig?

Staudt: Ja. Das ist für mich eine Leitfrage beim Lesen des Businessplans. Je kleiner das Projekt, umso wichtiger ist die Unternehmerperson. Ich habe einen fünfseitigen handschriftlichen Businessplan finanziert – weil ich gespürt habe, dass da eine Persönlichkeit mit Unternehmergeist dahinter steckt. Andersherum genauso: Wenn sich der Businessplan zu theoretisch und abstrakt liest und ich den Unternehmer dahinter nicht erkennen kann, dann werde ich skeptisch. Es ist ein ständiges Abtasten, ob der Gründer das Zeug zum Unternehmer hat oder nicht. Den Businessplan versucht man dann im persönlichen Gespräch zu verifizieren, zu hinterfragen und erkennt dann den Unternehmer. Oder auch nicht.

SBP: Sie haben sich ja nun als Experte in unserer Software umgesehen. Wie finden Sie SmartBusinessPlan?

Staudt: Ich finde das Tool hochinteressant. Darf ich trotzdem mit einer Schwäche anfangen?

SBP: Immer.

Staudt: Sie quälen noch nicht genug mit der Frage: „Wie bist Du auf die Zahlen gekommen?“ Der Banker möchte den Weg dorthin verstehen: Wieso kommen genau 30 Personen in den Laden? Sie sollten noch deutlicher in die Leitfragen schreiben, dass der Gründer erläutern muss, woher seine Zahlen kommen. Nachvollziehbarkeit ist wichtig.

SBP: Danke. Wir sind tatsächlich gerade an dem Punkt dran, den Rechenweg auch technisch deutlich zu machen. Das muss in der App noch stärker werden.

Staudt: Das Thema Nachvollziehbarkeit bringt mich auch zu dem großen Vorteil, den ich bei SmartBusinessPlan im Vergleich zu allen anderen Tools sehe: Die Verknüpfung von Zahlen und Text in einem Gesamtwerk. Wenn der Gründer seine Zahlen im Text erläutert und so integriert darstellt, ist das ein großer Vorteil.

SBP: Haben Sie sich auch unsere Spezialplaner angeschaut?

Staudt: Ja, ich finde es gut, wie Sie versuchen, den Businessplan für alle verständlich zu machen und die Hemmschwelle abzubauen. Besonders stark finde ich im Spezialplaner für Kreative, wie im Beispielfall Yunikue die betriebswirtschaftliche Denke über Frage und Antwort erlebbar gemacht wird.

Aber auch das Businessplan-Lexikon ist sehr verständlich und die Fehlerstorys sind gut, weil leider typisch. Mehr davon.

SBP: Was können wir Ihrer Meinung sonst noch besser machen?

Staudt: Weisen Sie auf die komplexe Anfangsphase der Gründung hin: Wie ist die Entwicklung in den ersten Monaten? Häufig wird der Anfang von den Umsätzen her überschätzt. Die zusätzlichen Verluste sind dann nicht mitfinanziert und fehlen in der Liquidität.
Toll wäre auch, wenn Sie die Gründer motivieren könnten, Praxiserfahrungen am Markt zu sammeln und die Ergebnisse dann schon mit in den Banktermin zu bringen.

SBP: Sehr gut. Das sind die Punkte, an denen wir arbeiten. Sehr beruhigend, dass wir richtig liegen.

Staudt: Eine Frage hätte ich selbst noch an Sie: Bei aller Digitalisierung – wäre es nicht wünschenswert, den Businessplan nicht nur von einer Software, sondern auch von einem Menschen checken zu lassen und damit den Gründer zu unterstützen?

SBP: Wir prüfen gerade, ob unsere Nutzer das wollen. Würden Sie denn dafür bereit stehen, die Businesspläne unserer Gründer zu checken?

Staudt: Kompliment, dass Sie erst den Markt checken, bevor Sie programmieren. Und: Ich liebe Businesspläne – 25 Jahre sind nicht genug. Also, warum nicht.

 

Über den Autor
Dr. Jan Evers

Gründungsexperte Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft EVEREST in Hamburg. Für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer entwickelt die EVEREST GmbH seit über 15 Jahren Konzepte und Lösungen, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern.

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bhp