Effectuation

Mit vier Prinzipien erfolgreich ein Unternehmen führen

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Was ist Effectuation?

Der Name Effectuation wurde von der Wissenschaftlerin Saras Sarasvathy geprägt, die auch für die „Entdeckung“ der Methode verantwortlich ist. Der Begriff stammt aus dem Englischen und wurde von dem Verb to effectuate (etwas erreichen) abgeleitet. Effectuation beschreibt eine Entscheidungslogik, die auf der Annahme basiert, dass die Zukunft nicht vorhergesagt werden kann. Stattdessen solle man darauf setzen, diese aktiv mitzugestalten. Die Methode stellt damit einen Widerspruch zu traditionellen Managementtheorien dar, die darauf basieren, durch umfassende Analysen feste Ziele zu definieren und dann das Unternehmen mit den entsprechenden Mitteln auszustatten, die benötigt werden, diese Ziele „auf Teufel komm raus“ zu erreichen.

Der Ursprung von Effectuation

Glück, Talent und günstige Rahmenbedingungen gelten allgemein als Grundlagen, die unternehmerischen Erfolg ausmachen und begünstigen. Sarasvathy wollte es genauer wissen und schaute sich näher an, wie gängige Handlungs- und Denkmuster von erfolgreichen Gründern aussehen. Als Kommunikationswissenschaftlerin wusste sie, dass es vielen Menschen schwerfällt, ihr eigenes Vorgehen objektiv zu beschreiben. Wenn man Menschen dazu befragt, wie sie Entscheidungen treffen, greifen sie gerne auf Muster zurück, von denen sie glauben, dass sie sie anwenden. Meist sind das genau die Muster, die auch in Lehrbüchern stehen.  

Sarasvathy umging dieses Problem, indem sie ihre Interviewpartner, allesamt erfolgreiche Serien-Gründer, bat, ein Geschäftskonzept zu erarbeiten und währenddessen ihre Gedanken laut zu äußern. Die Äußerungen der Gründer wurden protokolliert und systematisch ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass fast alle befragten Gründer einer bestimmten Entscheidungslogik folgten, welche dem widerspricht, was in klassischen Lehrbüchern zu lesen ist.  

Der Umgang mit der Zukunft als Kernannahme von Effectuation

Als Gründer, aber auch als Unternehmer musst du jeden Tag wichtige Entscheidungen treffen, ohne sicher zu sein, dass du richtig liegst. Insbesondere zum Anfang einer Gründung hast du noch keinerlei oder wenig Erfahrungswerte, weswegen du möglicherweise nicht abschätzen kannst, ob deine Idee so funktioniert, wie du es dir vorstellst. Aber genau das macht unternehmerisches Denken und Handeln aus.  

Was können wir also tun, um dieser Ungewissheit zu begegnen? Würden wir uns in diesem Artikel mit der kausalen Managementlehre beschäftigen, würden wir dir raten: Sammle so viele Daten wie möglich, werte diese mit System aus und versuche daraus, detaillierte Prognosen für die Zukunft zu ziehen. 
Befürworter der Effectuation-Methode wissen allerdings, dass diese Prognosen unfassbar aufwendig und trotzdem falsch sein können. Deshalb verzichten sie lieber gleich darauf, die Zukunft vorherzusagen und machen sich lieber daran, sie aktiv mitzugestalten. Denn sie glauben nicht daran, den Zufall ausschalten zu können, sondern versuchen diesen für ihre Projekte zu nutzen. Dabei orientieren sie sich an vorhandenen Mitteln, an ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen. Anstatt sich Ziele zu setzen, die schwer erreichbar sind, und sich vorrangig an der bestehenden Konkurrenz zu messen, wie bei der Wettbewerbsanalyse, verstehen sie es, ihr Netzwerk zu nutzen – ohne Angst davor zu haben, ihre Ideen mit anderen zu teilen.

Die vier Prinzipien von Effectuation

Die von Sarasvathy entdeckte Denk- und Handlungsweise erfolgreicher Unternehmer beruht auf vier Grundprinzipien:

1. Mittelorientierung statt Zielorientierung

Das erste Effectuation-Prinzip basiert auf der Erkenntnis, dass es oft klüger ist, mit den Mitteln zu arbeiten, die du schon hast, anstatt Ziele anzustreben, die du womöglich nur schwer oder mit großer Anstrengung erreichst. Wenn du dein Gründungsvorhaben an deine Mittel und Fähigkeiten anlegst, kannst du schneller anfangen und wirst anstehende Aufgaben deutlich leichter bewältigen. 

Betrachte also deine Geschäftsidee oder dein Geschäftsmodell durch die Effectuation-Brille, bevor du mit der Umsetzung beginnst (wenn du noch ganz am Anfang stehst, umso besser: Dann kannst du von vornherein nach der hier beschriebenen Methode vorgehen). 

Schau dir zunächst an, welche Mittel dir zur Verfügung stehen und überlege anschließend, was sich damit machen ließe. Diese drei Fragen helfen dir:

  1. Wer bist du? Was ist dir wichtig? Welche Vorlieben und Abneigungen hast du? Wofür möchtest du stehen?
  2. Was weißt oder kannst du? Womit kennst du dich gut aus? Was fällt dir leicht? Wofür bekommst du bereits viel Anerkennung (beruflich, aber auch privat)?
  3. Wen kennst du? Welche beruflichen oder privaten Kontakte hast du? Welche Ressourcen kann dein Umfeld bereitstellen? Wer hätte Lust, dich in deinem Vorhaben zu unterstützen und sich zu beteiligen?

Schnapp dir einen Stift und Papier und erstelle eine Inventur deiner Ressourcen. Wenn du einen Überblick gewonnen hast, kannst du deiner Kreativität freien Lauf lassen und Ideen sammeln, wie du diese Mittel nutzen könntest. Frage dich in einem ersten Schritt, was alles mit deinen Ressourcen, deinem Wissen und deinen Kontakten möglich wäre. Wichtig: Es geht erstmal nur darum, alle Möglichkeiten darzulegen, ohne sich bereits festzulegen. Erst im zweiten Schritt fragst du dich, welche dieser möglichen Ziele du auch tatsächlich erreichen willst. Dabei kannst du ruhig mehrere Optionen gleichzeitig verfolgen. 

2. Leistbarer Verlust (statt erwarteter Ertrag)

Die Forschungsergebnisse von Sarasvathy zeigen: Entgegen dem gängigen Klischee zeichnen sich erfolgreiche Unternehmer gerade nicht durch eine überdurchschnittliche Risikobereitschaft aus. Ganz im Gegenteil, riskieren sie nur das, was sie verlieren können, ohne dass es sie ruiniert.

Auch diese Erkenntnis ist konträr zu dem, was im Lehrbuch steht. Die traditionelle Unternehmerlogik besteht darin, dass sich ein Einsatz immer dann lohnt, wenn der erwartete Nutzen nur hoch genug ist. Dann heißt es zum Beispiel: „Wenn wir unseren Umsatz um 35 Prozent steigern können, wird diese teure Maschine, die wir dafür brauchen, schon beschaffen.“ Tja, wenn … Aber was ist, wenn die erwartete Umsatzsteigerung ausbleibt? Es geht bei Effectuation darum, die eigene Risikobereitschaft dem leistbaren Verlust anzupassen und nicht dem Ertrag, den man erreichen könnte. 

3. Umstände und Zufälle nutzen (statt vermeiden)

Ein geläufiges Mantra vieler Unternehmer lautet, bloß nichts dem Zufall zu überlassen. Aber warum eigentlich? Grundsätzlich wissen wir es doch alle: Jede noch so gute Planung ist doch nie vor dem Zufall gefeit. Warum also so viel Energie darauf verschwenden, ihn auszuschalten?

Die kausale Managementlehre hat für den Zufall nichts übrig. Schließlich geht es primär darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und zwar unter allen Umständen. Alles Unvorhergesehene wird nur als ärgerliche Störung angesehen. 

Wer allerdings nach der Effectuation-Methode handelt, kann gelassen bleiben. Denn auch wenn etwas Unvorhergesehenes deine Pläne durchkreuzt, kannst du trotzdem nach einem Weg suchen, die neue Situation bestmöglich für dich nutzen. Das liegt eben daran, dass du deine Ziele als veränderbar verstehst. 

4. Partnerschaften und Vereinbarungen (statt Konkurrenz)

In der klassischen Lehre wird davon ausgegangen, dass die Auswahl der Akteure, mit denen eine Partnerschaft eingegangen wird, danach erfolgt, welche Ziele erreicht werden sollen. Sie werden also systematisch ausgewählt und in der Regel erst dann ins Vorhaben eingebunden, wenn das Projekt bereits fortgeschritten ist. Gründer, die auf Effectuation setzen, fangen damit bereits viel früher an: Noch bevor klar ist, wohin die Reise wirklich geht, werden Ideen mit anderen geteilt. Sie schauen einfach, wer zusammenpasst, und schließen Kooperationen mit Akteuren, die bereit sind, mitzuwirken.

Das klingt zunächst nach viel Offenheit ohne reelle Verlässlichkeit. Doch auch bei der Effectuation-Methode werden Vereinbarungen getroffen, bei denen alle Beteiligten angeben, welche Mittel sie einbringen werden. Das können Ideen, Know-how, Kontakte, Geld, Dienstleistungen, aber auch Betriebsmittel oder Räume sein. 

Hier zeigt sich ein weiterer Unterschied zur traditionellen Unternehmerlogik: Während bei Gründungen meisten die Konkurrenz in den Mittelpunkt gestellt wird (Was machen die anderen? Wie positionieren wir uns im Wettbewerb?), liegt der Fokus bei der Effectuation-Methode auf der Logik möglicher Partnerschaften.

Der Effectuation-Prozess

Der Autor Michael Faschingbauer hat einen Weg gefunden, um den Effectuation-Prozess sinnvoll zu beschreiben. Nehmen wir an, du erwartest Besuch und möchtest deine Gäste mit einem leckeren Menü überraschen. Nach der gängigen Methode würdest du zunächst deine Kochbücher durchgehen und ein passendes Rezept auswählen. Dann würdest du eine Einkaufsliste schreiben, zum Supermarkt fahren, alle Zutaten besorgen, zurückfahren und dann endlich mit dem Kochen beginnen. Im Idealfall ist das Ergebnis genauso, wie es im Kochbuch aussieht – zumindest, solange nichts Überraschendes passiert. Was ist aber, wenn dir der Auflauf im Ofen verbrennt und die Zutaten nicht für einen zweiten Versuch ausreichen? Dann wäre die Verzweiflung wahrscheinlich groß, denn dein ursprüngliches Ziel könntest du jetzt nicht mehr erreichen.

Abb. 1. Kochen nach klassischer Managementlogik (Quelle: eigene Darstellung nach FASCHINGBAUER 2013)

Nutzt du die Effectuation-Prinzipien, würdest du dein Kochvorhaben von Anfang an anders angehen: Du würdest dich zunächst in deiner Küche umschauen und aus dem, was du dort vorfindest, etwas Leckeres zaubern. Deine Mittel würden das Ziel bestimmen, an das du dich schrittweise herantastest. Am Ende hättest du nicht nur sehr viel Zeit, Aufwand und Nerven gespart, sondern überdies ein einzigartiges Menü kreiert, das deine Gäste garantiert noch nicht probiert haben. Du hättest etwas Neues geschaffen. 

Abb.2. Kochen nach Effectuation-Logik (Quelle: eigene Darstellung nach: FASCHINGBAUER 2013)

Hier erzählt dir Michael Faschingbauer mehr über Effectuation und Entscheidungshilfen im Ungewissen. 

Wann du Effectuation anwenden kannst

Kochen nach Rezept, als klassisches Management, funktioniert immer dann, wenn die folgenden Bedingungen gegeben sind:

  • Die Zukunft ist planbar; sichere Prognosen sind möglich.
  • Die Ziele stehen fest.
  • Die Rahmenbedingungen ändern sich nicht durch das, was du tust oder andere tun.

In deiner Küche sind diese Bedingungen vielleicht gegeben. Aber bei der Unternehmensgründung oder wenn du in einem etablierten Unternehmen größere Veränderungen anschieben möchtest, funktioniert das Kochen nach Rezept nicht unbedingt. Dann solltest du vielleicht besser alles vergessen, was du aus der traditionellen Managementlehre mitgenommen hast, und auf Effectuation setzen. 

Unter diesen Bedingungen ist es klüger, mit dem zu kochen, was du in deiner Küche vorfindest: 

  • Die Zukunft ist ungewiss; verlässliche Prognosen sind schwer zu treffen.
  • Die Ziele sind verhandelbar und können verändert werden.
  • Rahmenbedingungen können durch das, was du tust oder andere tun, gestaltet werden.

Insbesondere in Krisenzeiten ist der Effectuation-Ansatz hilfreich, um schnell auf neue und veränderte Situationen und Bedingungen reagieren zu können.

Beispiele von Effectuation

Die Corona-Krise hat etliche Beispiele beschert, wie Unternehmer mit Effectuation Zukunft gestalten. Eines davon stammt von einem Gastronomen aus Tangstedt, dessen Pizzeria im Lockdown geschlossen wurde. Als er im Supermarkt beobachtete, wie sich um ihn herum alle mit Tiefkühlprodukten eindeckten, begann er kurzerhand, seine eigenen Pizzen tiefzukühlen und an seine Stammkunden zu verkaufen. Die Nachfrage war so groß, dass er bald in eine professionelle Kühlanlage investierte. Heute liefert er seine selbstgemachten Premium-Pizzen sogar an eine Supermarktkette und hat somit in der Krise ein neues Geschäftsmodell kreiert. 

Ein anderes Beispiel, das mit der Corona-Krise nichts zu tun hat, ist die Geschichte von Karl-August Tapken. Der Gastwirt aus Friesland hat mit Sicherheit noch nie den Begriff Effectuation gehört. Trotzdem setzte er nach bester Effectuator-Manier seine Mittel ein, um etwas Neues zu schaffen – und legte damit das Fundament für ein einmaliges Festival, das 2017 sogar als „bestes Festival des Jahres“ ausgezeichnet wurde und auch nach Tapkens Tod jedes Jahr Tausende von Musikfans an den Jadebusen in Niedersachsen zieht.

Von seinem Vater hatte Tapken gemeinsam mit seinen Geschwistern ein jahrhundertealtes Kurhaus direkt am Strand geerbt. Er war ein offener, unkonventioneller Mensch und so avancierte sein Betrieb in den 1970er-Jahren zu einem beliebten Treffpunkt für Künstler und Freigeister. Tapkens Schwester Ulrike führte zu jener Zeit einen köstlichen Rhabarberkuchen ein, für den das Kurhaus noch immer bekannt ist.

Doch die bunten Siebziger gingen vorbei und viele traditionelle Gasthäuser mussten ums Überleben kämpfen – wieso nicht das Kurhaus Dangast? Weil die Geschwister Tapken ihre Mittel – ein Gasthaus am Strand, Kontakte zur Kunstszene, Rhabarberkuchen und ein offenes Herz – bestmöglich einsetzten, um am Ende der Welt einen Zentralisationspunkt für Kultur und Zusammensein zu schaffen. Ausstellungen, Feste und Konzerte fanden regelmäßig in und um den Gasthof der Tapkens statt – wieso nicht gleich den ganzen Strand nutzen? 

So entstand das Festival „Watt en Schlick“, das jedes Jahr namhafte Künstler und Musikfans anzieht, die den Weg nach Dangast auf sich nehmen, um mit Schlick an den Füßen und Wind im Gesicht ein rauschendes Fest zu feiern, die Musik und die Weite des Wattenmeers zu genießen – und natürlich um den legendären Rhabarberkuchen zu probieren, der dann direkt am Strand serviert wird. 

Fazit

Sarasvathy hat mit ihrer Forschung bewiesen, dass unternehmerisches Handeln wenig mit Talent oder Persönlichkeit zu tun hat, sondern dass eine Methode dahintersteckt, die erlernbar ist. Diese Methode ist dazu noch sehr eingängig und kann auch ohne großes BWL-Wissen angewendet werden. Sie eignet sich für den Gründungsprozess ebenso gut wie für die Unternehmensführung.

Einer der wichtigsten Grundsätze von Effectuation ist die Mittelorientierung (im Unterschied zur Zielorientierung der klassischen Betriebswirtschaftslehre). Die Ziele ergeben sich nicht aus aufwändigen Prognosen und Marktforschungsstudien, sondern aus dem, was schon da ist: aus deinen Ressourcen und Kontakten. Deinen Einsatz legst du vorher fest. Dabei lässt du dich nicht von irgendwelchen mythischen Vorhersagen leiten, sondern von dem, was du im Worst Case auch verlieren könntest, ohne dass es dich ruiniert. So kannst du unternehmerische Entscheidungen auch in unsicheren Zeiten treffen. 

Es lohnt sich also, bevor du mit deinem Businessplan beginnst, sich mit der Effectuation-Methode für das eigene Vorhaben auseinanderzusetzen und Sarasvathys Erkenntnisse zu nutzen, um ein mittelorientiertes und stabiles Unternehmen aufzubauen. 

Cover des Buchs Erfolgreich als Unternehmer

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bhp