Die Firmengründung von handy.de und ihre Folgen

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Dirk Freise gründete seine erste Firma gemeinsam mit Freunden im Jahr 1999, noch während des Studiums in Berkeley. Als Onlineshop für Handys gestartet, wurde handy.de auch zu einem der Pioniere auf dem Gebiet des Mobile-Entertainment und verdiente schnell mehr Geld mit Logos und Klingeltönen als mit Mobiltelefonen. 2002 verkauften die Gründer das Unternehmen an Bertelsmann, um 2005 wiederum Neuland zu betreten: Mit der Firmengründung von blau.de brachten sie den ersten unabhängigen Mobilfunkdiscounter Deutschlands an den Markt. Nachdem die Gründer das Unternehmen 2008 an den niederländischen E-Plus-Mutterkonzern KPN verkauften, investieren Dirk Freise und seine Partner bei Shortcut Ventures seit 2011 als Venture-Capital-Geber in digitale Startups.

In unserem Interview blickt Dirk auf die Zeit der Firmengründung von handy.de zurück und teilt die Learnings mit uns, die er aus seiner ersten Firma mitgenommen hat.

SmartBusinessPlan: Hallo Dirk! Erzähl mal, wie kam es zu handy.de? Welcher Plan steckte dahinter?

Dirk Freise: Zunächst mal so gut wie keiner – wir sind an diese Gründung ganz naiv rangegangen. Mein Freund Thorsten Rehling und ich studierten 1999 in Berkeley den Master of Business Administration. Eines Tages meinte Thorsten, er habe keine Lust mehr, im Studium immer nur für die Tonne zu arbeiten, und er habe diese Domain: handy.de. Ob wir da nicht was draus machen wollen. Und ich meinte, na klar. Und dann haben wir eine Woche später im deutschen Konsulat eine GmbH gegründet. Der Konsul wusste überhaupt nicht, dass er so eine Firmengründung beurkunden darf, und wollte das erst nicht. Irgendwann, weil wir nicht nachließen, hat er es dann schließlich doch gemacht – und damit hatten wir ein Unternehmen mit der Rechtsform GmbH. Das war unser erstes Learning bei der Existenzgründung: Hartnäckigkeit.

SmartBusinessPlan: Und dann, wie ging’s weiter mit der Selbstständigkeit?

Dirk Freise: Dann bekamen wir als Erstes eine Verwarnung der Stadt Quickborn – da wohnten meine Eltern, deren Adresse wir für die GmbH-Anmeldung benutzt hatten –, dass wir keine Gewerbeanmeldung hatten. Das war das nächste Learning: In Deutschland ist alles mit sehr viel Papierkram verbunden – aber letztlich alles machbar.

SmartBusinessPlan: O.k., die Erfahrung haben wir wohl schon alle mal gemacht. Aber was war eure Geschäftsidee für handy.de und wie seid ihr sie angegangen?

Dirk Freise: Die Grundidee war ganz banal: Wir haben gesagt, wir verkaufen Handys übers Internet. Für Deutschland war das damals noch völlig neu. Aber Berkeley ist ja nahe am Silicon Valley – wir wussten, im Internet, da geht was, auch wenn wir selbst vorher überhaupt keine Ahnung von Technik hatten. Nur ich hatte in der Schule mal ein wenig programmiert und wurde deshalb zum Technischen Direktor auserkoren. Ich hab dann erstmal gelernt, wie man PHP programmiert und hab eine PHP-Seite gebaut, ohne Datenbank … Wenn man sich die heute mit der 2017-er-Brille anguckt, fragt man sich, wie da irgendwer was bestellen konnte. Die Bilder von den Handys hatten wir aus dem Internet und die Preise aus einer deutschen Zeitschrift übernommen. Aber: Man konnte ein Handy auswählen, seine Adresse eingeben und dann wurde eine Email an uns generiert – das war unser ganzer Bestellprozess.

SmartBusinessPlan: Und damit habt ihr dann angefangen?

Dirk Freise: Ja. Direkt nachdem die Seite online war, bin ich nach Mexiko geflogen, um an einem Projekt zu arbeiten. Im Hotel bekam ich einen Anruf von Thorsten, der meinte: „Dirk, wir haben ein Problem. Wir haben eine Bestellung.“ – Und das war wirklich ein Problem, denn wir hatten zwar eine Website, auf der man bestellen konnte, aber wir hatten gar keine Ware, keinen Lieferanten.

SmartBusinessPlan: Im Ernst? Und was habt ihr dann gemacht?

Dirk Freise: Ich hab einfach einen Mobilfunkhändler in meiner Heimatstadt in Deutschland angerufen, ob wir die Handys bei ihm kaufen können und er sie für uns verschickt. Der hielt mich erstmal für völlig verrückt, hat sich aber schließlich überzeugen lassen, dass das ernst gemeint und seriös war. Die Bestellungen – anfangs eine oder zwei am Tag, aber es wurden schnell mehr – mussten wir allerdings ausdrucken und ihm faxen – er hatte am Anfang noch nicht einmal eine Email-Adresse.

SmartBusinessPlan: Ihr habt also wieder improvisiert. Und das hat gut geklappt?

Dirk Freise: Anfangs nicht, weil der Mobilfunkhändler natürlich auch gerne was verdienen wollte und die Bestellungen so billig wie möglich verschickt hat. Deswegen hatten wir anfangs eine irre Rücklaufquote – die Kunden konnten sich nicht vorstellen, dass ihr teures Handy in einem alten Schuhkarton bei ihnen ankommt. Das mussten wir erstmal klären. Aber dann hat’s funktioniert.

SmartBusinessPlan: Andere haben dann auch schnell gesehen, dass da ein Markt ist, und ihr bekamt euren ersten Wettbewerber.

Dirk Freise: Ja, kurz nach unserem Start kam getmobile.de. Die hatten im Gegensatz zu uns eine irrsinnig gute Website (unsere sah immer noch genauso schlimm aus wie am Anfang der Firmengründung). Da haben wir dann gesagt, jetzt erst recht, und angefangen, uns um Venture Capital zu bemühen. Wir hatten wieder keine Ahnung, wie das geht. Zum Glück gab’s aber gerade ein Seminar dazu an der Uni. Wir haben ein Mailing an alle deutschen VCs rausgeschickt, mit einem Businessplan inklusive Finanzplan. Dass die den überhaupt gelesen haben … Am Ende hatten wir aber trotzdem sechs Angebote und haben uns dann letztlich für eines entschieden.

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SmartBusinessPlan: O.k., offenbar waren in dem Fall die Geschäftsidee und ihr als Gründerteam wichtiger als die Qualität des Businessplans selbst. Was habt ihr dann mit dem Geld gemacht?

Dirk Freise: Wir haben eine Agentur beauftragt, uns eine schöne Internetseite zu bauen. Einen Monat bevor wir die neue Seite launchen wollten, stellten wir allerdings fest, dass wir nur für das Design der Website bezahlt hatten. Wir hatten also viele tolle Entwürfe für Seiten, aber keine hatte irgendeine Funktionalität. Zum Glück konnten die uns jemanden vermitteln, der uns mit seinem Team in vier Wochen ein komplettes Shop-System zusammengebaut hat. Nächstes Learning: Wenn ihr mit Dienstleistern arbeitet, lest die Verträge vollständig und gründlich, bis ihr sie wirklich versteht.

SmartBusinessPlan: Dann hattet ihr also eine Website mit Shop und konntet eure Handys verticken. Aber über Klingeltöne und Logos haben wir noch nicht geredet. Waren die anfangs bei der Firmengründung überhaupt geplant?

Dirk Freise: Nein, waren sie nicht. Aber sehr schnell kamen wir auf den Gedanken, dass man Handys ja nur alle zwei Jahre kauft. Wir haben uns gefragt, wie kriegen wir die Leute dazu, unsere Seite öfter zu besuchen, damit sie uns bis zum nächsten Handy nicht vergessen. Daraus entstand die Idee mit den Klingeltönen und Logos. Das war also ursprünglich eine Marketing-Idee. Letztlich lag es nur daran, dass wir für die GEMA und die SMS zahlen mussten, dass wir uns dachten, „vielleicht könnten wir das auch verkaufen“. Der Witz war, nach drei Monaten haben wir mehr Umsatz mit Logos und Klingeltönen gemacht als mit den Handys, obwohl der Katalog an Logos, den wir damals hatten, noch ziemlich mies war. Aber als wir das gesehen haben, haben wir angefangen, Designer für Logos und Klingeltöne zu engagieren und sind dann unheimlich schnell gewachsen. Ein Jahr später haben wir für einige Millionen Mark an Bertelsmann verkauft.

Erstes Büro von Handy.de

Abenteuerlich: das erste Büro von handy.de.

SmartBusinessPlan: Wow. Also trotz viel Naivität ein riesiger Erfolg, weil ihr als Existenzgründer die Chancen gesehen und schnell reagiert habt. Aber, um nochmal auf die Klingeltöne und Logos zurückzukommen: Eine Sache interessiert mich da noch: Wie ist da eure Preisfindung abgelaufen? Das gab es ja noch nicht, das war ja ein völlig neuer Markt.

Dirk Freise: Wir waren da auch unsicher. Wir hatten Kosten von ungefähr 20 Pfennig und haben uns dann irgendwann für 1,40 DM entschieden. Erst später haben wir mitbekommen, dass sich in anderen Ländern dafür ganz andere Preise herauskristallisiert haben. In England hat ein Klingelton oder ein Logo beispielsweise 5 Pfund gekostet. Was wir damals nicht auf dem Zettel hatten: Ein Klingelton muss nicht so billig sein wie ein Song zum Download, sondern ist viel eher ein Fashionstatement. Für Fashion geben die Leute auch gern viel Geld aus, um cool zu sein. Wir haben den großen Fehler gemacht, uns darüber vorher keine Gedanken zu machen, nicht getestet zu haben, was die Leute bereit sind, dafür zu zahlen. Das Ganze ging ja, wie gesagt, eher aus einer Marketing-Idee hervor.

SmartBusinessPlan: Also nächstes Learning: Testet die Preise, insbesondere wenn das Produkt neu ist.

Dirk Freise: Auf alle Fälle! Wir waren einfach zu blöd und haben zu niedrig angefangen.

SmartBusinessPlan: Wie seid ihr dann von handy.de zu blau.de gekommen?

Dirk Freise: Eigentlich auch wieder eher zufällig. Wir sind nicht besonders gut darin, uns neue Dinge auszudenken.

SmartBusinessPlan: Na komm, das kann doch nicht einfach alles Zufall sein mit dem Gründen bei euch. Worin seid ihr denn gut?

Dirk Freise: Wir lernen vor allem sehr schnell. Wir gehen zwar gern naiv ran, aber wir lernen sehr schnell. Das ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Fähigkeiten für Gründer und Unternehmer: Sich schnell auf neue Situationen einstellen zu können. Sich immer wieder zu fragen, was mach ich denn nun, was will mir der Markt sagen – und dann darauf zu hören. Auf das Discountmodell, auf dem blau.de basierte, sind wir beispielsweise schon einige Jahre vorher durch einen dänischen Investor bei handy.de aufmerksam geworden. In Dänemark war 2001 der erste Mobilfunkdiscounter gestartet. Wir sind schon 2002 auf verschiedene Telekommunikationsdienstleister zugegangen, die waren aber noch nicht so weit. Als E-Plus 2005 dann ein wenig mit dem Rücken zur Wand stand, haben wir sie nochmal angesprochen, und dann haben sie uns eine Lizenz als Serviceprovider gegeben. Da passte es dann.

SmartBusinessPlan: O.k., fassen wir mal zusammen: Vielleicht ist die Geschichte Eurer Firmengründung gar nicht so untypisch. Man macht eine Sache, über die dann ein Netzwerk entsteht, und in diesem Netzwerk hört man wiederum von neuen Dingen und redet darüber. Und mit den Erfahrungen, die man in der Arbeit an der ersten Firma gemacht hat, kann man die Dinge besser bewerten und sieht die Chancen, die da drin stecken. Vielleicht ist das ein entscheidender Nutzen der ersten Firmengründung? Vielleicht muss es nicht immer die Idee sein, mit der man anfängt, mit der man wohlhabend wird?

Dirk Freise: Ja, genau. Und man lernt einfach enorm viel. Ein zweites Unternehmen ist irgendwie wie ein zweites Kind, da fällt vieles leichter, weil man schon weiß, wie es geht.

SmartBusinessPlan: Dirk, vielen Dank!

Person neben mehreren Servern

Dirk im ersten „Rechenzentrum“ von handy.de.

Das Gespräch mit Dirk ist beim LaborX für Entrepreneurship in Hamburg im Rahmen der Interview-Reihe „Meine erste Firma“ entstanden. Das LaborX für Entrepreneurship ist eine interaktive Veranstaltungsreihe, bei der Unternehmensgründer ihre Geschäftsidee vorstellen und mithilfe von Experten und Publikum weiterentwickeln. Entrepreneure aus allen Bereichen im frühen oder fortgeschrittenen Gründungsstadium haben dort die Gelegenheit, ihr Konzept zu prüfen, ihre Erfolgschancen zu verbessern und mit Profis, anderen Entrepreneuren, Start-Ups und Interessierten zu netzwerken. Schaut doch mal vorbei!

Über den Autor
Dr. Jan Evers

Gründungsexperte Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft EVEREST in Hamburg. Für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer entwickelt die EVEREST GmbH seit über 15 Jahren Konzepte und Lösungen, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern.

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bhp