Eiscafé eröffnen: Zwischen Eiskelle und Laptop

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Lisa Staib hat sich ihren Traum erfüllt und mitten im quirligen Berlin ein eigenes Eiscafé eröffnet

Dass Lisa ihr Geld mit dem Verkauf von leckerem Eis verdienen würde, war lange nicht absehbar. Schließlich ist sie gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin. Aber nach dem Studium war ihr schnell klar: Ein Nine-to-five-Job im Büro ist nichts für sie. Deshalb hat sie sich mit dem Konditor Felix zusammengetan und eine kleine, aber feine Eismanufaktur eröffnet: Das Süßfein in der Brunnenstraße 156 in Berlin.

Wir haben mit ihr über Kredite, Kapital und koscheres Eis gesprochen und sie nach ihren Tipps für die Gründung einer Eisdiele gefragt.

Viele Menschen träumen ja davon, ein Eiscafé zu eröffnen. Wie war das bei dir: Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Eigentlich hat Felix mich auf die Idee gebracht. Felix hat unsere Hochzeitstorte gemacht. Er erzählte uns, dass er schon lange davon träume, sich mit einem Eisladen selbstständig zu machen. „Eis“, erklärte er, „ist das perfekte Produkt: Im Vergleich zu Kuchen und Torten kannst du mit wenig Aufwand recht große Mengen herstellen und das Beste ist: Was du tagsüber nicht verkauft hast, muss abends nicht in die Tonne.“

Als ich einige Zeit später meinen Master in der Tasche hatte und vor der Frage stand, was ich beruflich tun sollte, erinnerte ich mich an Felix und seine Eis-Vision. Die Aussicht auf einen Bürojob reizte mich überhaupt nicht. Lieber wollte ich etwas Eigenes auf die Beine stellen. Und ich wusste, Felix und ich, wir würden uns ideal ergänzen: Er versteht sein Handwerk – die Herstellung von Süßspeisen – und ich meines: die Betriebswirtschaft.

Ich habe ihn einfach angerufen und er war sofort begeistert. Schon ein halbes Jahr später hatten wir den Mietvertrag für unser Eiscafé unterschrieben und konnten im Mai 2017 eröffnen, pünktlich zum Start in unsere erste Eissaison.

Lass uns mal über die Finanzierung für eure Existenzgründung reden – wie viel Eigenkapital habt ihr benötigt, um eure Eisdiele zu eröffnen?

Bei Gründungen in der Gastronomie wird ja, anders als in vielen anderen Branchen, ein Eigenkapitalanteil von mindestens 60 Prozent erwartet. Da wir nicht nur ein Café einrichten, sondern unser Eis selbst produzieren wollten, brauchten wir eine komplette Produktion, mit Maschinen und allem. Das ging ganz schön ins Geld.

Logo von Süßfein

Süßfein sorgt für leckeres Eis und Sonnenschein. :)

Von welchen Summen sprechen wir?

Wir haben ein fertig eingerichtetes Café übernommen und dafür einen mittleren fünfstelligen Betrag bezahlt. Das klingt viel, ist aber ein fairer Preis, weil wir eine sehr hochwertige Ausstattung dafür bekommen haben. Die gleiche Summe mussten wir dann noch mal in die Maschinen für die Eisproduktion stecken.

Zurzeit planen wir die Eröffnung eines zweiten Eiscafés, da werden wir mit deutlich weniger Geld auskommen. Wir setzen auf eine schlichte familiäre Einrichtung mit Holzbänken und einfachen Hockern. Und wir können uns die teure Produktion sparen.

Das heißt, wer das Eis nur verkaufen, aber nicht selbst herstellen will, kann schon mit rund 20.000 Euro seine Eiscafé-Eröffnung hinbekommen. Wer hausgemachtes Eis verkaufen möchte, braucht deutlich mehr Kapital.

Welche Erfahrungen habt ihr mit eurer Bank gemacht?

Ich hatte das Glück, von der Familie einen größeren Kredit zu bekommen, sodass wir die geforderten 60 Prozent zusammenbekommen haben. Den Rest hat unsere Bank finanziert, und zwar über den Startgeld-Gründerkredit der KfW, der mit sehr günstigen Konditionen verbunden ist. Wir müssen das Geld zum Beispiel erst nach zwei Jahren zurückzahlen, was uns sehr entgegenkommt. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Die hohe Eigenkapitalforderung kam nicht von der KfW, sondern von unserer Hausbank. Das scheint unter Banken allgemein üblich zu sein, wenn es um Gründungen im Gastronomiebereich geht.

Nachdem eure Finanzierung stand, wie verlief dann euer Start in die Selbstständigkeit?

Leider war der Sommer 2017 besonders verregnet und unser Business ist nun mal extrem wetterabhängig. Die Temperaturen sind dabei gar nicht so entscheidend, sondern die Sonne. Kaum scheint sie, bilden sich bei uns lange Schlangen. Bleibt es hingegen trüb, verlangt kein Mensch nach Eis. Aber obwohl die Wetterbedingungen in unserem ersten Jahr nicht optimal waren, lief das Geschäft besser, als erwartet. Und 2018 kam ja dann der Bombensommer – es war so heiß, die Leute brauchten Eis.

Womit macht ihr den größten Umsatz?

Etwa 90 Prozent unseres Umsatzes und auch des Gewinns machen wir mit dem Verkauf von Eis.

Es stimmt einfach, was Felix schon früh erkannt hatte: Eis ist ein sehr dankbares Produkt. Der Verkauf von Kaffee und Kuchen ist mit sehr viel Handarbeit und hohen Personalkosten verbunden. Der Kuchen muss erst gebacken werden, dann muss ich ein Stück aus der Vitrine holen, es dem Gast servieren, den Teller abräumen, spülen und in den Schrank zurückstellen. In der gleichen Zeit hätte ich etliche Kugeln Eis verkaufen können.

Im Sommer lohnt sich der Verkauf von Kaffee und Kuchen kaum, auch wenn wir beides anbieten. Das ist eher ein Thema für die Wintermonate. Deshalb mein Tipp an alle Gründer, die ein Eiscafé eröffnen wollen: Konzentriert euch auf euer Kerngeschäft und sorgt dafür, dass die Kunden euch für euer Eis lieben.

Personen sitzen in Café

Ein Ort, an dem man sich bei Eisbecher und Kaffee wohlfühlt: dein zukünftiges Eiscafé?

Du hast es schon angesprochen: Eis geht nur bei Sonnenschein. Was macht ihr im Winter?

Wir verkaufen dann frischgebackene Baumstriezel, das ist ein spezielles Hefeteiggebäck, das man warm isst – am besten in Kombination mit unserem leckeren Eis. Dieses Angebot ist einzigartig in Berlin, dafür sind wir stadtbekannt. Was auch nicht unwichtig ist: Bei Google stehen wir damit ganz oben: Wer nach „Baumstriezel Berlin“ sucht, landet bei uns. Und viele Menschen, die diese Köstlichkeit aus dem Urlaub in Tschechien oder Ungarn kennen, kommen deswegen extra zu uns.

Damit sind wir beim Thema Geschäftsmodell. Die Idee, ein Eiscafé zu eröffnen, ist ja nicht gerade neu. Was macht eure Eisdiele so besonders?

Wir stellen unser Eis aus wenigen natürlichen Rohstoffen selbst her. Sahne, Milch, Butter, Früchte und Zucker – das sind unsere Basics. Neben den Bestseller-Sorten, wie Schoko, Vanille und Erdbeere, haben wir auch besondere und wechselnde Eiskreationen im Programm, etliche davon vegan. Außerdem ist unser Eis koscher und unser Laden ist entsprechend zertifiziert.

Eistorte auf Teller

Ein Stück meisterlich zubereitete Eistorte, bereit zum Verzehr: Ein passendes Angebot für ein Eiscafé.

Wie seid ihr auf die Geschäftsidee gekommen, koscheres Eis herzustellen?

Das war gar nicht unsere Idee. Als wir kurz vor der Eröffnung in unserem Laden werkelten, klopfte es an der Tür und zwei Rabbiner standen vor uns. Sie sagten, dass sie von der gegenüberliegenden jüdischen Gemeinde kämen und ob wir uns vorstellen könnten, für die Gemeindemitglieder koscheres Eis zu produzieren.

Wir haben uns erstmal erklären lassen, was koscher genau bedeutet, und stellten bald fest, dass es mit unserem Konzept von selbstgemachtem Eis sehr gut zusammenpassen würde. Die meisten Vorschriften der Rabbiner waren in unserer Eismanufaktur ohnehin schon erfüllt, etwa der Verzicht auf Gelatine und tierische Emulgatoren in unserem Eis.

Seid ihr die einzige koschere Eisdiele in Berlin?

Wir sind zumindest die einzigen, die koscheres Eis selbst herstellen. Es gibt große Eismarken, wie Häagen Dazs, deren Eis ebenfalls koscher ist– aber das ist eben industriell hergestellt. Den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde ging es auch darum, einen Ort zu haben, wo sie sich in familiärer Atmosphäre treffen können, wo ihre Kinder nach der Schule mal eine Kugel Eis bekommen  und wo sie auch für Familienfeiern koschere Süßspeisen bestellen können.

Hat sich also in der Umbauphase eure Geschäftsidee noch einmal gedreht?

Nein, das kann man so nicht sagen. Unser Konzept war es, hausgemachtes Eis von hoher Qualität zu verkaufen, das ohne künstliche Pasten, Pulver und Aromastoffe auskommt, wie es leider bei vielen anderen Läden der Fall ist. Um koscher zu produzieren, mussten wir nur einige unserer Rezepte abwandeln. So verwenden wir keinen Waldhonig und unsere Eiswaffeln sind vegan, weil die normalen Waffeln Molkepulver enthalten. Außerdem verzichten wir auf Sekt, dürfen dafür aber für spezielle Eissorten Rum verwenden.

Wir haben mit dem Rabbi unserer Gemeinde vereinbart, dass wir uns melden, wenn wir Rezepte verändern. Wenn zum Beispiel auf dem Großmarkt unsere üblichen Lebensmittel nicht zu kriegen sind, schreib ich ihm eine WhatsApp-Nachricht und frage, ob die Alternative auch okay ist.

Neben den Zutaten kommt es bei der koscheren Produktion auch auf die Verarbeitung an. Ganz wichtig ist zum Beispiel, dass wir frische Früchte besonders gründlich waschen, damit auf keinen Fall kleine Käferchen oder Spinnen ins Eis gelangen – und daran haben natürlich alle unsere Kunden, ob jüdisch-orthodox oder nicht, ein Interesse.

Selbstgemachtes Eis aus natürlichen Rohstoffen, dazu das Zertifikat „koscher“ – sind damit die Gründe aufgezählt, warum eure Kunden so begeistert von euch sind?

Das sind die Hauptgründe, auf jeden Fall. Aber es kommt noch etwas hinzu, das aus meiner Sicht mindestens ebenso wichtig ist: Bei uns werden alle freundlich bedient. Ich sage meinen Mädels immer wieder: Es kommt nicht darauf an, dass ihr die perfekten Eiskugeln formt, es kommt darauf an, dass ihr unsere Kunden nett behandelt und ihnen ein gutes Gefühl gebt.

Theke von Süßfein

Verkaufstheke und Einrichtung der Berliner Eismanufaktur Süßfein.

Wie geht ihr das Thema Personalplanung an?

Wie schon gesagt: Das Eisgeschäft ist extrem witterungsabhängig. Ich plane immer kurzfristig und der Wetterbericht ist mein bester Freund. Sobald ich weiß, wie das Wetter werden soll, schreibe ich in unsere WhatsApp-Gruppe, wie viele Leute ich brauche. Wir haben einen kleinen Pool an Studentinnen, die wir auf 450-Euro-Basis beschäftigen. Sie wissen, dass ich ihnen auch mal zwei bis drei Tage vorher absagen muss. Dafür erwarte ich aber auch nicht, dass sie immer springen, wenn ich sie brauche. Die Flexibilität beruht nun mal auf Gegenseitigkeit.

Wie schwierig ist es, für euer Eiscafé Personal zu finden?

Wir haben noch nie Personal gesucht. Gleich am Anfang kam Helen in unseren Laden und fragte, ob sie bei uns arbeiten könne, und seitdem gehört sie zu unserem Team. Und bisher haben wir fast alle unsere Mitarbeiterinnen über Helen gefunden.

Für welche Rechtsform habt ihr euch entschieden und warum?

Wir sind eine GmbH. Diese Rechtsform bot sich für uns an, weil sie am besten zu unserer Organisationsstruktur passt. Wir sind ja zwei Gründer und auch mein Mann ist an unserem Unternehmen beteiligt. Außerdem hat eine GmbH den Vorteil, dass unsere persönliche Haftung beschränkt ist.

Wie habt ihr euren Standort gefunden?

Das war in Berlin ein schweres Stück Arbeit. Wir haben bestimmt 50 Objekte besichtigt. Die meisten davon haben wir über ImmoScout gefunden. Letztlich haben wir dann aber auf Ebay-Kleinanzeigen das Inserat unserer Vorgänger entdeckt, die hier eine Art Smoothiebar betrieben haben. Sie hatten damit offenbar genug Geld verdient, um sich ihren Traum vom Auswandern zu erfüllen, und suchten nach Nachfolgern für ihren Laden – das kam für uns wie gerufen.

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Kannst du dich noch daran erinnern, wie es war, den Businessplan für euer Eiscafé zu schreiben?

Das war sehr easy. Unsere Hausbank, die Berliner Sparkasse, hatte uns dafür SmartBusinessPlan empfohlen. Ich kam damit so gut klar, dass der komplette Businessplan innerhalb von wenigen Tagen fertig war. Die Sparkasse war auch gleich zufrieden damit und hatte keine größeren Änderungswünsche.

Gibt es etwas, das du damals vermisst hast?

Ich habe leider nirgendwo eine Antwort auf die Frage gefunden, in welcher Reihenfolge man am besten vorgeht: Kommt zuerst der Kredit oder zuerst der Mietvertrag? Eigentlich muss beides gleichzeitig unterschrieben werden. Die Banken möchten den genauen Standort gerne vor ihrer Kreditzusage kennen, um die Konditionen zu prüfen. Gleichzeitig wünschen sich viele Vermieter, dass die Finanzierung schon steht, wenn man den Mietvertrag unterzeichnet, um sicher zu sein, dass die Miete auch bezahlt wird.

Das war für uns ein echtes Problem und ich weiß bis heute nicht, wie man es am besten löst. Wahrscheinlich gibt es dafür keine einfache Lösung.

Wie ist dein Unternehmerinnen-Leben heute – bereust du es manchmal, dass du dich selbstständig gemacht hast?

Nein, nein, nein! In irgendeinem Unternehmen sitzen und warten, bis endlich Freitag ist? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Auch wenn es durchaus anstrengend sein kann, ständig zwischen Eiskelle und Laptop hin- und herzuspringen.

Vor allem in den ersten Monaten bin ich oft an meine Grenzen gegangen. Ich war vollauf mit Cateringanfragen, Rechnungen, Wareneinkauf und Lohnbuchhaltung beschäftigt und musste „nebenbei“ oben im Laden Eis verkaufen. Da wäre es wohl manchmal klüger gewesen, etwas mehr Personal einzusetzen. Aber in die Personalplanung wächst man eben erst nach und nach rein.

Vielen Dank, Lisa, für das spannende Interview und weiterhin ganz viel Erfolg mit Süßfein. Wir schauen bei unserem nächsten Berlin-Besuch auf jeden Fall mal vorbei!


Links

Das Eiscafé Eisfein findest du auch im Internet: https://suessfein-berlin.de

und bei Facebook: https://www.facebook.com/suessfeinberlin/

Über den Autor
Dr. Jan Evers

Gründungsexperte Dr. Jan Evers ist Inhaber der Beratungsgesellschaft EVEREST in Hamburg. Für Ministerien, Banken und Wirtschaftsförderer entwickelt die EVEREST GmbH seit über 15 Jahren Konzepte und Lösungen, die Unternehmern das Gründen und die Selbstständigkeit erleichtern.

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bhp